Ein steiniger Weg
„Ihre Bank ist hier nicht erwünscht“

Selten hat ein Faxgerät so große Emotionen ausgelöst. Mitte Dezember 1996 blinkt und rattert das einzige Faxgerät bei der UmweltBank im Nürnberger Laufertorgraben 6 und spuckt schließlich das Dokument aus, auf das alle gewartet haben: Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen schickt den Vorbescheid zur Bankzulassung. „Wir waren teilweise in Tränen – zwei Jahre harte Arbeit hatten sich gelohnt“, erinnert sich Gisela Bohn, die noch heute dabei ist. Die Gründung der Bank ist jetzt nur noch Formsache. Dabei war dieser Weg alles andere als vorgezeichnet.

Gründer Horst P. Popp

Gründer Horst P. Popp

Die Idee hinter der UmweltBank ist im Jubiläumsjahr 2022 so aktuell wie nie: Ökologie und Ökonomie verbinden, nachhaltiges Banking und Anlegen nur in umweltfreundliche Produkte. Die UmweltBank sorgt dafür, dass ihre Kunden mit ihrem Geld Positives für Mensch und Natur leisten können. In den 1990ern ist das aber noch ferne Utopie. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks herrscht gerade im Finanzsektor eine regelrechte Goldgräberstimmung: Der Kalte Krieg ist vorbei, der Kapitalismus hat gesiegt, die Zeichen stehen auf Wachstum.

Kopf hinter dieser Idee ist kein Unbekannter: Horst Popp ist zuvor bei der Ökobank, die zwar ähnliche Ziele verfolgt, sich aber oft in ihren eigenen, schwerfälligen Prozessen verfängt. Popp möchte seine Vision verwirklichen und nimmt den steinigen Weg: 1994 beginnt er mit dem Aufbau einer eigenen Bank.

"Die Zeit ist reif für eine Bank, die den Erhalt und den Schutz unserer Umwelt zum Unternehmensziel erklärt"

Horst P. Popp, 1997

Da Popp alles aus eigener Tasche finanziert, sind die Anfänge freilich bescheiden: In echter Start-Up-Manier wird die Privatwohnung der Popps zur Kreativschmiede des jungen Unternehmens.
Unterstützt wird er von einem kleinen Team, das ebenso an die Idee glaubt und sich um die Akquise kümmert, um das Gründungskapital zusammenzubekommen. Seine Frau Sabine übernimmt das Marketing, eine Agentur schaltet Werbeanzeigen. Und tatsächlich fühlen sich viele Anleger angesprochen: „In einer Anzeige habe ich 1994 gelesen ‚Ökologisch investieren – ökonomisch gewinnen‘ und dass Horst Popp eine eigene Bank gründen möchte. Ihn hat man von der Ökobank gekannt. Er wollte es dann allen beweisen, dass es auch ökonomisch geht, ökologisch zu wirtschaften. Und da habe ich dann mitgemacht“, erinnert sich Heinrich Klotz, der heute im Aufsichtsrat sitzt.

Zwar schaffen Popp und sein Team es zwischen September und November 1994 immerhin fast 20 Millionen DM einzusammeln, doch die Emission scheitert. Um die Unabhängigkeit der zukünftigen Bank nicht zu gefährden, wird das Projekt vorerst abgebrochen und das gesammelte Geld den Anlegenden zurückgezahlt. Die Zeit ist scheinbar noch nicht reif.

"Horst Popp ist ein Unternehmer. Jemand, der Mut hat, eine Geschäftsidee gegen Widerstände durchzusetzen und zum Erfolg zu führen – auch wenn es zunächst unmöglich erscheint."

Jürgen Koppmann

Umweltbewusstsein und Finanzmarkt in den 1990er Jahren

In den 1990er Jahren hat die Umweltbewegung in Deutschland an Schwung verloren. Die Grünen sind inzwischen im Parlament, Mülltrennung und Recycling sind selbstverständlich. Doch die breite Bevölkerung zeigt darüber hinaus kein tieferes Interesse an Umweltschutz oder gar Nachhaltigkeit.

Dabei haben spätestens seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 alle Parteien Umweltthemen in ihren Programmen, auch erste Unternehmen legen Umweltberichte vor. Doch mit dem Fall der Berliner Mauer verlagert sich der Fokus wieder auf andere Themen. Den Banken fehlt das Know-how, um ökologisch orientierte Produkte zu finanzieren. So schreibt der Journalist Klaus Brade 1995 in einem Beitrag für die Zeitschrift „Mein Geld“, dass die Ökobank nicht immer in der Lage war, die Renditeinteressen der Anleger zu befriedigen. Das möchte die UmweltBank anders machen und mit ihren ökologischen Anlageoptionen eine breitere Zielgruppe erreichen.

Der zweite Anlauf

Silvester 1995 sitzt das junge UmweltBank-Team erneut bei den Popps zuhause. Nach ausgelassenem Feiern ist keinem zumute, stattdessen wird intensiv diskutiert, wie es weitergeht. „Aber es war die einhellige Meinung: Das ist so ein tolles Projekt, wir versuchen es noch einmal, nur viel professioneller“, erinnert sich Gisela Bohn.

Horst Popp setzt also alles auf eine Karte: Im Nürnberger Laufertorgraben 6 mietet er eigene Büros, das Team wird vergrößert und ein eigener Vertrieb aufgebaut. Im Januar 1996 startet ein „Telefonteam“ mit über 20 Personen, um die Anleger für das notwendige Gründungskapital zu gewinnen. Parallel dazu findet eine „Deutschlandtournee“ statt: Popp und sein Team reisen durch zahlreiche Städte der Republik, laden potenzielle Aktionäre und Investoren ein und stellen das Konzept der UmweltBank vor. Mit Hans Buckert begleitet ein erfahrener Wirtschaftsprüfer als Treuhänder den gesamten Prozess, der gerade in den schwierigen Verhandlungen mit den Finanzaufsichtsbehörden einen kühlen Kopf bewahrt.

Dennoch sind die Widerstände immer noch groß. „Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hatte damals unmissverständlich signalisiert: Ihre Bank ist hier nicht erwünscht!“, erinnert sich Hans Buckert. Und auch die Presse begleitet die Gründung der nachhaltigen Bank ungewohnt kritisch: „Es hatte damals einen TV-Beitrag über uns gegeben. Das war ein Totalverriss, das war furchtbar“, so Gisela Bohn. „Wir saßen vor dem Fernseher und waren einfach nur sprachlos.“

Doch die Beharrlichkeit des Teams zahlt sich aus: Über 3.800 Aktionär_innen schenken der UmweltBank ihr Vertrauen. Unter ihnen ist auch der damals wohl bekannteste deutsche Börsianer, André Kostolany. Bis Dezember 1996 können so 38 Millionen DM Aktienkapital erfolgreich platziert werden. Und in Zeiten vor Online-Banking kann man diese Summe auch noch „anfassen“: „Es war ein Überweisungsträger über 38 Millionen DM“, erinnert sich Hans Buckert, mit dem er und Horst Popp schließlich zur Bank gehen und das Geld überweisen. Am 12. Dezember 1996 kommt per Fax der lang ersehnte Vorentscheid zur Gründung der UmweltBank, am 7. Januar 1997 erfolgt die Vollbanklizenz, am 29. Januar 1997 nimmt sie ihr Geschäft auf. Die UmweltBank ist gegründet.

"Ökologie darf Rendite nicht ausschließen."

Horst P. Popp